Die Dur-Tonleiter
Eine Dur-Tonleiter besteht aus einer Reihenfolge von Sekund-Intervallen.
Die Dur-Tonleiter ist aus zwei gleichstrukturierten Hälften von je vier Tönen – sog. Tetrachorden – aufgebaut.
Nehmen wir der Übersicht halber die C-Durtonleiter – sie ist identisch mit der Stammtonreihe vom Ton C aufwärts: die beiden Viertonreihen c-d-e-f und g-a-h-c bestehen je aus zwei Ganztonschritten (gr. Sekunden) und einem Halbtonschritt (kl. Sekunde). Beide Viertonreihen liegen wiederum einen Ganztonschritt auseinander. Der Gesamtaufbau der Durtonleiter besteht somit aus einer Aneinanderreihung von Ganz- und Halbtonschritten (diatonische Tonleiter*).
Die beiden Halbtonschritte liegen zwischen dem 3. und 4. sowie dem 7. und 8. Ton der Tonleiter. Im Falle der C-Durtonleiter sind dies die Töne e-f und h-c. Diese beiden Halbtonschritte nennt man auch „natürliche Halbtonschritte„, da sie zwischen zwei Stammtönen liegen.
So kann man sich anhand der Lage der natürlichen Halbtonschritte in der Stammtonreihe vom Ton C aufwärts den Aufbau einer Durtonleiter veranschaulichen.
Merke:
Bei der Dur-Tonleiter liegen die Halbtonschritte zwischen der 3. und 4. sowie der 7. und 8. Stufe.
Die Töne 1, 3, 5 bilden einen Durdreiklang (s. Dreiklänge).
Den Aufbau der anderen Durtonleitern kann man nur durch Hinzufügen von Vorzeichen ermöglichen. Die Durtonleiter mit einem Kreuz (G-Dur) ergibt sich, wenn man den zweiten Tetrachord der C-Durtonleiter (g-a-h-c) nimmt und wieder im Abstand von einem Ganzton einen weiteren, gleichgebauten Tetrachord (in diesem Fall d-e-fis-g) anhängt. Dieser neue Tetrachord ist dann wiederum der Anfang der D-Durtonleiter, an den man den Tetrachord a-h-cis-d anhängen kann, um die Tonleiter zu vervollständigen. Die D-Durtonleiter hätte somit schon zwei # -Vorzeichen. Wenn man so weiter verfährt, erhält man alle Durtonleitern mit jeweils einem weiteren # -Vorzeichen. Die Anfangstöne der auf diese Weise gebildeten Tonleitern liegen also immer fünf Töne (eine reine Quinte) auseinander. Diese Reihenfolge ist auch als Quintenzirkel bekannt.
Wenn man von der C-Durtonleiter ausgehend genauso in absteigender Richtung vorgeht, d. h. wenn man den ersten Tetrachord nimmt und im Abstand von einem Ganzton darunter einen neuen Tetrachord anhängt (hier f-g-a-b), so erhält man die Durtonleitern mit jeweils einem b -Vorzeichen mehr. Die Grundtöne liegen dann eine Quinte abwärts auseinander (Quintenzirkel abwärts)!
* außer der diatonischen Tonleiter (siehe die Anordnung der weißen Tasten am Klavier) gibt es auch noch die chromatische Tonleiter (nur in Halbtonschritten) und die pentatonische Tonleiter (Fünfton-Reihe aus 3 gr. Sekunden und 2 kl. Terzen, wobei die Terzen nicht unmittelbar hintereinander kommen – siehe die Anordnung der schwarzen Tasten am Klavier)
Die Moll-Tonleiter
1) Die „natürliche“ Molltonleiter
Die natürliche (reine) Molltonleiter weist den Aufbau der Stammtonreihe vom Ton A aufwärts auf. Somit liegen die Halbtonschritte (hier sind es die natürlichen Halbtonschritte) zwischen dem 2. und 3. sowie dem 5. und 6. Ton der Tonleiter.
Die Töne 1, 3 und 5 bilden einen Molldreiklang (s. Dreiklänge).
Merke:
Bei der (natürlichen) Moll-Tonleiter liegen die Halbtonschritte
zwischen der 2. und 3. Stufe, sowie der 5. und 6. Stufe.
Wie man erkennen kann, haben die Tonarten C-Dur und A-Moll dieselben Vorzeichen (keine). Diesbezüglich spricht man von paralleler Dur- bzw. Molltonart.
A-Moll ist also die parallele Molltonart von C-Dur und umgekehrt.
Die parallele Molltonart liegt jeweils eine kleine Terz unter der Durtonart. Dies kann man auf alle anderen Tonarten übertragen. Auch das Prinzip des Quintenzirkels ist natürlich auf die Molltonarten übertragbar.
Außer dem natürlichen Moll gibt es noch weitere Moll-Tonleitern. Erwähnen möchte ich die „harmonische“ und die „melodische“ Molltonleiter.
2) Die „harmonische“ Molltonleiter
In ihr kommen sämtliche Töne der einfachen Mollkadenz (mit Durdominante; s. Kadenz) vor. Daher ist wieder der Leittonschritt zwischen der 7. und 8. Stufe enthalten! Die Halbtonschritte liegen also zwischen dem 2. und 3., dem 5. und 6. und dem 7. und 8. Ton der Tonleiter. So entsteht jedoch eine übermäßige Sekunde zwischen dem 6. und 7. Ton!
Ein Leitton ist ein Ton, der durch seine harmonische Bindung oder seine melodische Herkunft die Bewegung um einen Halbton nach oben oder unten anstrebt, um eine größere Konsonanz und einen melodischen Schwerpunkt (oder Zielpunkt) zu erreichen. *
Er liegt also einen halben Ton unter oder über dem Ton, zu dem er hinleiten soll!
Der Halbtonschritt am Ende eines Tetrachordes in der Durtonleiter ist z.B. ein solcher Leitton.
(Anm: Der Leitton von oben wird in einigen Schriften als „Gleitton“ bezeichnet.)
* (aus „Sachwörterbuch der Musik“, E. Thiel, A. Kröner Verlag Stuttgart).
3.) Die „melodische“ Molltonleiter
Diese Bezeichnung kann man mit „Melodie“ bzw. „Gesang“ in Verbindung bringen.
Die im harmonischen Moll vorkommende übermäßige Sekunde ist „unsanglich“, jedoch der Leittonschritt melodisch von Bedeutung. So wird in der melodischen Molltonleiter die 6. Stufe erhöht, um lediglich die übermäßige Sekunde zu vermeiden (Halbtonschritte nur noch zwischen dem 2. und 3. + 7. und 8. Ton).
Es entsteht eine Mischung zwischen einer Moll- und einer Durtonleiter (Anfang in Moll – Ende wie in Dur). Melodisch ist die Leittonspannung dieser Tonleiter vor allem aufwärts von Bedeutung; abwärts wird in der Praxis dann häufig wieder die natürliche Molltonleiter verwendet.
Die Kirchentonleitern
Hier möchte ich nur kurz die Modi der „Kirchentonarten“ (Kirchentonleitern) vorstellen.
Diese können aus den Tönen der Durtonleiter – jeweils beginnend auf einer anderen Stufe – abgeleitet werden.
Diese Kirchentonarten oder Modi wurden mit den Namen der griechischen Tonarten belegt. (Modi kann man auch auf den Stufen von anderen Skalen bilden!)
Modi, basierend auf den Stufen der Durtonleiter bzw. der Stammtonreihe vom Ton C aus:
Für die Bildung der Tonleitern empfiehlt es sich, nur die jeweiligen Ausnahmetöne zu kennen, wodurch sich diejenige Skala von der normalen Dur- oder Moll-Tonleiter unterscheidet:
also merken:
„dorische Sexte“ (Moll-Tonleiter mit großer Sexte = dorische Tonleiter)
„lydische Quarte“ (Dur-Tonleiter mit übermäßiger Quarte = lydische Tonleiter)
„phrygische Sekunde“ – (Moll-Tonleiter mit kleiner Sekunde= phrygische Tonleiter)
„mixolydische Septime“ – (Dur-Tonleiter mit kleiner Septime = mixolydische Tonleiter)
Die lokrische Tonleiter hat – wie phrygisch – eine kleine Sekunde, jedoch auch eine verminderte Quinte.
Sie wird bei der Jazz-Improvisation benutzt, um über einen halbverminderten Septakkord zu improvisieren, der in der Tonleiter enthalten ist.
„Zigeuner“-Tonleitern:
Dieser umgangsprachliche Begriff meint Tonleitern folkloristischer Art mit zwei enthaltenen übermäßigen Sekunden. Diese sind jedoch kein ausschließliches Merkmal der Musik der Sinti und Roma.
Auch hier unterscheidet man „Zigeuner-Moll“ und „Zigeuner-Dur“
Zigeuner-Moll (auch „ungarische“ Tonleiter genannt):
Harmonische Molltonleiter mit erhöhter 4. Stufe (Leitton zur Quinte)
Zigeuner-Dur (auch „arabische“ Tonleiter genannt):
„Orientalische“ Dur-Tonleiter mit erniedrigter 2. und 6. Stufe
Pentatonik
Unter einer pentatonischen Skala (griech: penta = fünf) versteht man eine fünftönige Skala, die aus 3 Ganztönen und 2 kleinen Terzen besteht – wie der Aufbau der schwarzen Tasten der Klaviatur!
Die Dur-Pentatonik lässt sich auf eine Folge von 5 Quinten zurückführen und wird als einzige pentatonische Skala auch in der „Klassik“ verwendet. Dort wird sie einfach nur als „pentatonische Tonleiter“ bezeichnet. Sie entspricht einem Durakkord mit Sexte und None.
Dur-Pentatonik:
(als Quintfolge: c – g – d – a – e)
Wer sich mit der Improvisation über einen Blues beschäftigt, kann sehr schön mit der Moll-Pentatonik oder der „Blues-Skala“ (erweiterte Moll-Pentatonik) arbeiten.
Der einfache Blues besteht aus Dominantseptakkorden auf den Stufen der 3 Hauptakkorde (I, IV, V). In diesen Skalen sind die problematischen Töne ausgeschlossen, so daß man praktisch jederzeit zu jedem der drei Akkorde jeden Ton der Skala (fast) gleichberechtigt verwenden kann – vor allem bei der reinen Moll-Pentatonik. Das erleichtert das freie Improvisieren ungemein – auch wenn musikalisch nicht alles direkt befriedigend klingt (es klingt zumindest nicht ganz falsch).
Moll-Pentatonik (beginnend auf dem Ton der parallelen Moll-Tonart):
Die Blues-Skala enthält die Töne des Dominantseptakkordes. Vor der Terz und der Quinte steht jeweils praktisch noch ein Leitton:
Blues-Skala (Moll-Pentatonik mit Dur-Terz und b5):
Diese Leittöne (ggf. enharmonisch umgedeutet als dis und fis) werden auch „blue notes“ genannt.
Eigentlich sind echte „blue notes“ auf einer Tonhöhe zwischen dem Leit- und dem Auflösungston. Gute Sänger, Trompeter, Saxophonisten etc. können durch Tonbeugung diese Zwischentonhöhe hervorbringen. Das trägt entscheidend zum „bluesartigen“ Charakter der Darbietung bei.
Pianisten spielen manchmal beide Töne (eine kleine Sekunde) gleichzeitig (z.B. Thelonious Monk).
Die Moll-Pentatonik oder die Blues-Skala eignet sich also hervoragend für die ersten Improvisationsversuche!
Hier noch ein Überblick über die vier Einteilungsarten der Oktave in unserem 12-tönigen – temperierten System:
Pentatonik:
halbtonlose fünftönige Skala mit 3 Ganztönen und 2 kleinen Terzen, wobei die kleinen Terzen nie unmittelbar aufeinander folgen (Aufbau der „schwarzen“ Tasten der Klaviatur!).
Ganztonleiter:
besteht nur aus 6 Ganztönen; es sind nur 2 unterschiedliche Ganztonleitern möglich!
Diatonik:
meist siebentönige (heptatonische) Tonleiter mit 5 Ganztönen und 2 Halbtönen (unser Dur / Moll), die keine verminderten oder übermäßigen Sekundschritte enthalten (Aufbau der „weißen“ Tasten der Klaviatur!
Chromatik:
besteht aus den 12 Halbtönen
ok
Ich vermisse bei den Erklärungen zu den Molltonleitern die Zigeunermoll- Tonleiter mit der erhöhten 4. Stufe. Wird darauf bei den Aufnahmeprüfungen kein Wert gelegt?
Ich habe hier nur die „klassischen“ Tonleitern Dur und Moll kurz erklärt.
Das Zigeuner-Moll wird aber wirklich inzwischen auch bei manchen Aufnahmeprüfungen verlangt, genauso jedoch wie die „Kirchentonleitern“!
Damit müsste man sich dann ggf. für eine Aufnahmeprüfung noch extra befassen … ich werde Ihre Anregung als Anlass nehmen, bei Gelegenheit diese Tonleitern auch in einem Artikel zu beschreiben!
Viel Erfolg und beste Grüße
Hansmartin Kleine-Horst
(P.S. Die Prüfungsinhalte von Aufnahmeprüfungen sind an den verschiedenen Hochschulen jeweils oft sehr unterschiedlich!)
… ich habe heute diese Seite überarbeitet und ergänzt! 🙂
Super! Vielen Dank.
Stimmt es, dass der (wenig schöne) lokrische Modus erst im 20, Jahrhundert „erfunden“/eingeführt wurde?
Nein! Der lokrische Modus der Kirchentonarten entstammt dem griechischen Tonsystem und wurde u.a. auch bereits im 12/13. Jhd. in der Kirchenmusik verwendet.
Bekannt ist die lokrische Skala auch im Jazz (20. Jhd.)! Daher vielleicht der Bezug auf das 20. Jhd. Im Jazz wird diese Skala für den halbverminderten Septakkord als Improvisations-Skala benutzt!
Die Seite gibt einen wirklich schnellen, kompakten und vollständigen Überblick, der sehr gut zur Wiederholung der harmonischen Strukturen der Tonleitern dient, selbst für jemanden, der vor vielen Jahren Musikwissenschaft studiert hat und heute als Pianist und Organist arbeitet 🙂